14 Januar 2025 | Interview

An vorderster Front des Wandels: Exklusives Interview mit Tilmann Schultze

DPD Schweiz behauptet sich in dieser sich ständig verändernden Branche als visionärer und engagierter Akteur. Tilmann Schultze, CEO DPD Schweiz, gibt uns in diesem Interview einen Einblick in die grossen Logistiktrends. Er bespricht mit uns die ehrgeizigen Ziele, die sich DPD Schweiz für die kommenden Jahre gesteckt hat: CO2-Emissionen reduzieren, neue Erwartungen von Kunden erfüllen und die sich auf Menschen und Innovation stützende Unternehmenskultur stärken. Sie erfahren wie Leadership, Anpassungsfähigkeit und Nachhaltigkeit zusammenkommen, um die Zukunft der Logistik zu gestalten.

DPD: «Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Trends, die die Logistikbranche in den kommenden Jahren verändern werden und wie antizipierst du diese Veränderungen für DPD Schweiz?»

Tilmann: «In den letzten Jahren wurden viele revolutionäre Entwicklungen angekündigt, ohne in der Praxis grossflächig umgesetzt zu werden, z. B. Lieferungen durch Drohnen oder autonome Roboter.

Eines ist sicher: Um unsere Verpflichtung zu erfüllen, CO2-Emissionen bis 2030 um 75 % im Vergleich zu 2020 zu reduzieren, müssen wir Fortschritte in den Bereichen Technologie wie auch Infrastruktur erwirken. Aus technologischer Sicht können wir Routen optimieren, um Fahrtzeiten zu verkürzen; digitale Lösungen verbessern, um die Kommunikation mit den Empfängern zu vereinfachen und die Anzahl unzustellbarer Erstauslieferungen zu verringern; und wir können die Reichweite von Elektrofahrzeugen erhöhen. Es ist zudem von entscheidender Bedeutung, dass wir die Infrastrukturen modernisieren - dazu gehören Ladestationen, Sortiertechniken und die Digitalisierung. Eine weitere Quelle für grossflächige Veränderungen, die wir anzapfen können, ist E-Commerce und das damit einhergehende veränderte Kaufverhalten unserer Kundinnen und Kunden. Beispielsweise möchten immer mehr Leute ihre Onlinebestellungen an einer örtlichen Sammelstelle wie einem Schliessfach abholen. Auch das Retourenmanagement nimmt in der Schweiz einen hohen Stellenwert ein. Die Schweiz hat gar die höchste Retourenquote in Europa!

Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen wir innovativ denken, die Augen für aufkommende Technologien offenhalten und über den Tellerrand hinausschauen. Anpassungsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit werden in den kommenden Jahren Schlüsselbegriffe sein.»

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DPD: «Was ist die langfristige Vision, die du für DPD Schweiz entwickeln möchtest und welche Schritte hast du dafür festgelegt?» 

Tilmann: «Als ich in die Schweiz kam, habe ich mir zum Ziel gesetzt, ein Unternehmen zu entwickeln, in der ich schon immer arbeiten wollte. Weil ich so ein Umfeld noch nie wirklich gefunden hatte. Ein Umfeld, in dem man gerne arbeitet und sich mit anderen austauscht, in dem man vertrauensvoll arbeitet und sich frei fühlt, die Initiative zu ergreifen… und es auch mal zu vermasseln. Kurz gesagt, ein Unternehmen, bei dem man am Sonntagnachmittag kein Bauchweh bekommt, wenn man daran denkt, am nächsten Tag zur Arbeit zu gehen. 

Unsere langfristige Vision ‹Progress in Motion & People at Heart› spiegelt unsere Denkweise wider: Wir vertrauen darauf, dass alle Mitarbeitenden unsere Prozesse, Technologien und unsere Organisation täglich verbessern und das Management fördert gleichzeitig den Teamgeist und die Menschen, die diese Teams bilden, denn unser grösstes Kapital sind die Frauen und Männer von DPD Schweiz. Diese Vision ist mit meinem Glauben verbunden, dass wenn sich die Mitarbeitenden unterstützt und anerkannt fühlen, sie unsere Kundschaft glücklich machen. Schliesslich ist deren Zufriedenheit der einzige Schlüssel zum Erfolg.»

DPD: «Wie passt du deinen Führungsstil an, um das Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu fördern und gleichzeitig den Leistungsanforderungen gerecht zu werden?»

Tilmann: «Sich anzupassen ist wichtig, aber seiner Persönlichkeit treu zu bleiben ebenso.

Zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz gehört meiner Meinung nach das Gefühl, voll integriert und anerkannt zu sein, unabhängig von der Stufe, die man in der Unternehmenshierarchie einnimmt. Um das Wohlbefinden meiner Mitarbeitenden zu fördern, kommuniziere ich so umfassend und transparent wie möglich (vorbei sind die Zeiten, in denen das Management glaubte, die Macht zu besitzen, indem es Informationen für sich behielt). So versteht jede und jeder die Unternehmensziele und kann sich entsprechend organisieren.

Das zweite Kriterium ist, dass man Vertrauen in seine Vorgesetzten haben muss, um sich frei zu fühlen und leistungsfähig zu sein. Um Vertrauen zu schaffen, muss man seine Worte und Taten aufeinander abstimmen, um keinen Raum für Interpretationen zu lassen. Ich mache es mir zur Aufgabe, meine Teams klar darüber zu informieren, was wir tun werden und dann bemühe ich mich, alles zu tun, um diese Pläne umzusetzen. Und wenn wir aus irgendeinem Grund unsere Meinung oder Richtung ändern, erklären wir, warum das so ist.»

DPD: «Kannst du uns von einer schwierigen Entscheidung berichten, die du kürzlich als CEO treffen musstest und wie hast du die Risiken und den Nutzen abgewogen?»

Tilmann: «In meinem Job geht es hauptsächlich darum, schwere Entscheidungen zu treffen und Risiken einzugehen. Vor Kurzem musste ich gegen den Rat meiner Vorgesetzten entscheiden, ob wir einen neuen Service einführen oder nicht.

In so einer Situation muss man Nutzen und Risiko abwägen, denn führt man den Dienst ein, darf er nicht scheitern. Ich forderte von meinen Teams, mir den Nutzen für unsere Kundschaft und für uns klar aufzuzeigen, denn ich wollte die Unsicherheiten und Risiken so weit wie möglich reduzieren. Anschliessend entschied ich mich, ihnen zu vertrauen. Im Erfolgsfall würde das Team die Lorbeeren ernten, wenn wir scheitern, würde ich die alleinige Verantwortung übernehmen. Die gute Nachricht: Es ist ein Erfolg!»

DPD: «Wie gehst du als CEO mit dem Stress und der mentalen Belastung um, die mit der grossen Verantwortung einhergehen?»

Tilmann: «Es ist in der Tat nicht so einfach, gelassen zu bleiben, wenn man die Verantwortung für alles, was passiert, trägt und ich habe nicht wirklich eine Universallösung, die immer funktioniert. In schwierigen Zeiten versuche ich, Abstand zu gewinnen, sowohl von meinen Teams nach dem Motto ‹it's only business after all› als auch von meiner Familie. Das hilft mir, durchzuatmen.

Ich tobe mich so oft wie möglich beim Tennis oder Qigong aus. Ich lese auch viel, sodass mein Geist von der Fantasie des Autors manipuliert wird und ich mich in die Geschichten flüchten kann.»

DPD: «Welche Lehren hast du aus dem Krisenmanagement gezogen, insbesondere im Hinblick auf die Pandemie oder andere unvorhergesehene Ereignisse in der jüngeren Vergangenheit?»

Tilmann: «Es wird oft gesagt, dass sich Teams gerade in Krisen bewähren. Die Pandemie hat mir gezeigt, dass meine Teams an Ort und Stelle waren, angesichts dieser Krise zusammenhielten, agil auf Veränderungen reagierten und bereit waren zu kämpfen, um unseren Kundinnen und Kunden zu helfen.

Was mich betrifft, so ging es darum, trotz der Schwierigkeiten ruhig zu bleiben und nicht in Panik zu geraten - oder besser gesagt, sich nichts anmerken zu lassen - mich jeden Tag an die Situation anzupassen, meine Teams täglich zu leiten und sie arbeiten zu lassen.»

DPD: «Welche spezifischen Massnahmen ergreifst du als CEO, um die Unternehmenskultur bei DPD Schweiz zu stärken?»

Tilmann: «Die Unternehmenskultur ist das Fundament, auf dem das ganze Gebäude ruht, sie unterstützt die Entwicklung des Unternehmens und trägt zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden bei. Eine Kultur kann nicht verordnet werden, sondern wird täglich durch unsere Verhaltensweisen und Entscheidungen gemeinsam aufgebaut. Unsere beruht auf Vertrauen, Respekt und Freiheit. Jede und jeder kann Ideen einbringen und die Initiative ergreifen, ohne dabei jedoch die grundlegenden Werte aus den Augen zu verlieren. Selbstverständlich muss ein CEO mit gutem Beispiel vorangehen und die gleichen Regeln wie seine Teams einhalten.»

DPD: «Bei all dem, was gerade angesprochen wurde, was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Fähigkeiten oder Eigenschaften, um heute als CEO erfolgreich zu sein?»

Tilmann: «Ich kann mir vorstellen, dass es so viele erfolgreiche CEOs gibt, wie es unterschiedliche Persönlichkeiten gibt.

Was mich betrifft, so denke ich, dass die Fähigkeit, eine gleichbleibende Stimmungslage aufrechtzuerhalten, im Sturm ruhig zu bleiben, zuhören statt reden, überzeugen statt aufdrängen, sagen, was man tun wird und tun, was man gesagt hat, seine Teams einbeziehen, vereinen und ihnen zu vertrauen, die Kompetenzen sind, die ich zu zeigen versuche. Ich bin dafür, Persönlichkeiten in einem Kollektiv zum Ausdruck kommen zu lassen. In diesem Sinne erlaube ich mir, im beruflichen Rahmen ich selbst zu bleiben, ohne eine Rolle zu spielen, also ohne ‹CEO zu spielen›.»

Beitrag von :

Hannes Domröse

Hannes Domröse

Digital Marketing

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